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Schüler helfen ehemaligen Zwangsarbeitern und anderen NS-Opfern in Kiew, Minsk und Moskau.

Zeitzeugenbegegnung in Berlin.

Ehemalige NS-Zwangsarbeiter aus Minsk zu Gast.

Vom 25. bis zum 29. April 2004 haben der Verein Kontakte-Kontakte e.V. und freiwillige Projektschüler zwei ehemalige Zwangsarbeiter, Jevgenij Gusev und Arnold Kozlovskij, aus Minsk zu sich nach Berlin eingeladen. Finanzielle und logistische Unterstützung hierfür erhielten wir vom Internationalen Bildungs- und Begegnungszentrum (IBB) aus Dortmund.

Die freiwilligen Schüler aus drei Berliner Schulen sowie Helfer aus dem Verein KONTAKTE-KOHTAKTbI e.V. bereiteten Evgenij Gusev und Arnold Kozlovskij einen interessanten und angenehmen Aufenthalt in Berlin. Sie besichtigten gemeinsam das Brandenburger Tor und das Sowjetische Ehrenmal in der Straße des 17. Juni.

Im Reichstag wurden die Gäste aus Minsk sehr freundlich empfangen. Obwohl nicht angemeldet, erhielten sie sogar eine Führung in russischer Sprache. Von der Reichstagskuppel konnten sie die gesamte Stadt übersehen. Schüler und ehemalige Zwangsarbeiter unternahmen eine gemeinsame Bootstour. Im modernen 3D-Kino am Potsdamer Platz tauchten die beiden Minsker in die Unterwasser-Südseewelt ein.

Besonders erwähnenswert ist der liebevolle Empfang von Arnold Kozlovskij und Evgenij Gusev an der Waldorfschule Berlin-Südost. Die Gäste berichteten aus ihrem Leben, die Schüler stellten Ihnen Fragen, danach gab es ein großes Buffet. Das Berliner Abendblatt und Radio Multikulti dokumentierten das Treffen.

Gemeinsam mit interessierten Schülern anderer Schulen besuchten die Gäste aus Minsk das Deutsch-Russische Museum (Kapitulationsmuseum) in Berlin-Karlshorst. Die Führung übernahm der Museumsdirektor, Dr. Jahn.

Am letzten Abend fand ein Empfang im KONTAKTE-KOHTAKTbI-Büro statt. Neben Schülern aus unseren drei Berliner Projektschulen, nutzten auch einige Mitglieder des Vereins die Gelegenheit, die beiden ehemaligen Zwangsarbeiter persönlich kennenzulernen.

Am letzten Tag fand schließlich noch eine Veranstaltung im Bundespräsidialamt statt. Danach mußten die Gäste aus Minsk leider schon verabschiedet werden.

Persönliche Eindrücke einiger Berliner Schülerinnen.

Anastasia:

„Ich gehe in die 10. Klasse der Freien Waldorfschule Berlin Süd-Ost und bin an dem KONTAKTE-KOHTAKTbI-Projekt erst seit kurzer Zeit beteiligt. Ende April 2004 kamen zu uns zwei ehemalige Zwangsarbeiter aus Minsk (Weißrussland), die während des 2. Weltkriegs hier in Deutschland Zwangsarbeit leisten mussten oder auch in Konzentrationslagern waren, dadurch von ihrer Heimat und Familie fortgerissen wurden. Sie hatten eine sehr schreckliche, für uns sehr schwer vorstellbare, Vergangenheit.

Bei einer Dampferfahrt durch die Stadt, bei der uns nicht mal das miese Wetter störte, lernten wir die zwei älteren Herren kennen und hörten ihnen mit großem Interesse bei ihren Erzählungen aus ihrem spannenden und aufregendem Leben zu. Wir stellten ihnen viele Fragen, die sie uns gerne und ausführlich beantworteten.

Den darauffolgenden Tag kamen sie uns dann in unserer Schule besuchen, um dort meiner gesamten Klasse sowie der 11. Klasse ihre Lebensgeschichten zu erzählen. Wir hatten ein Buffet für sie vorbereitet, und die 11. Klasse sang für sie zwei russische Lieder. Nachmittags gingen ich und noch ein paar andere aus meiner Klasse, meine Lehrerin Frau Dr. Fuchs und die Leute von KONTAKTE-KOHTAKTbI e.V. und natürlich unsere zwei Opis (wie wir sie nannten) in das Deutsch-Russische Museum in Karlshorst.

Am Donnerstag, den 29. April. 2004 war es dann auch schon soweit, der Abreisetag der beiden Herren war da. Bevor sie abreisten, fand ein Abschlusstreffen aller ehemaligen russischen Zwangsarbeiter, die zu dieser Zeit wie ‚unsere‘ hier in Berlin und Umgebung andere Klassen besucht hatten, im Bundespräsidialamt statt. Eröffnet wurde das Ganze durch den Staatssekretär Frohn. Danach sprachen ein paar Schüler unter dem Motto: ‚Was hat uns in den letzten Tagen bewegt?‘. Die Zeit verging wie im Flug, schnell noch ein paar Fotos von uns allen und dann war es auch schon soweit, wir mussten schweren Herzens Abschied nehmen...

Mir hat die Zeit mit den ehemaligen Zwangsarbeitern sehr gut gefallen und ich habe vieles über den 2. Weltkrieg und seine Grausamkeit erfahren.“

Janine:

„Währen der Dampferfahrt erzählte Jevgenij Gusev, daß er in einem Konzentrationslager gewesen war. Seine Eltern und Geschwister starben in einem KZ. Fünf Tage vor seiner Verlegung sah er dreimal dem Tod in die Augen. Sie wurden dann verlegt und marschierten zu ihrem nächsten Lager. Wer zu langsam war, wurde erschossen. Zum Glück konnte er sich noch retten, indem er in einen Graben sprang.

Später, nach dem Krieg, wollte er noch weiter lernen, hatte es aber sehr schwer. Schließlich schaffte es doch noch, die Schule zu beenden und zu studieren, konnte sogar noch einen Doktor machen.

Wir fragten ihn, ob er Deutschland noch etwas nachtragen würde. Er sagte: ‚Man kann damals und heute nicht vergleichen, sie Zeiten sind sehr unterschiedlich.‘

Außerdem erzählte er noch, daß sich ein anderer Zwangsarbeiter einmal einen Arm brach und deswegen einen deutschen Offizier nicht grüßen konnte, dieser Deutsche hetzte dann seinen Hund auf den Verletzten. Der Verletzte wehrte sich und tötete den Hund. Daraufhin wurde der Zwangsarbeiter von dem Offizier erschossen.

Wir alle hoffen, dass so etwas nicht noch einmal passiert.“

Peggy:

„Vor kurzem kamen zwei ehemalige Zwangsarbeiter aus Weißrussland nach Deutschland und erzählten uns, wie es ihnen im zweiten Weltkrieg ergangen ist. Arnold Kozlovskij mußte in Neustrelitz in einer Holzverarbeitungsfabrik arbeiten. Er war damals erst 14 Jahre alt. Auch Evgenij Gusev wurde nach Deutschland verschleppt, aber in ein Konzentrationslager gebracht.

Nach diesen Erzählungen habe ich darüber nachgedacht, wie man diesen Menschen, die solch schreckliche Dinge erlebt haben, helfen kann. Während sie zu Besuch waren, war ich zu beiden sehr freundlich und habe sie wie Landsleute behandelt.

Ich habe sie sehr lieb gewonnen. Eine Freundin und ich nannten sie immer ‚unsere beiden Opis‘ und als sie zum Abschied lächelten, hat uns das sehr berührt. Dies waren für mich Augenblicke, sehr schöne Augenblicke. Ich werde weiterhin versuchen, mit ihnen in Kontakt zu bleiben, weil ich ihnen das Gefühl geben möchte, daß auch die deutschen Jugendlichen daran interessiert sind, eine Brücke in die Vergangenheit zu bauen, in Frieden leben zu können und ihnen zu zeigen, dass sie mit ihrem Schicksal nicht allein sind.“

Saskia:

„Ich fand die Tage mit den Zwangsarbeitern sehr spannend und interessant. Sich die Lebensgeschichten der beiden ehemaligen Zwangsarbeiter anzuhören, war sehr beeindruckend. Schade jedoch, war, daß ich am Donnerstag nicht mit ins Bundespräsidialamt kommen konnte, da man mir erzählte, daß dort sehr viele andere Zwangsarbeiter sein würden. Dieses Ereignis hätte ich gerne miterlebt.

Ansonsten kann ich nur sagen, daß ich vor den Zwangsarbeitern viel Respekt hab, da ich es bewundernswert finde, wie diese Menschen über ihr grausames Schicksal reden können.“

Theresa:

„Bei der Begegnung mit den ehemaligen Zwangsarbeitern faszinierte mich vor allem die Offenheit der Opfer über ihr eigenes Schicksal.

Sie schienen sich recht gut mit ihrer Vergangenheit ausgesöhnt zu haben und man merkte keinen Hass den Deutschen gegenüber, sondern nur ein starkes Bedürfnis, sich uns mitzuteilen. Daß sie es geschafft haben, unserem Volk zu vergeben, trotz ihrer verlorenen Kindheit und Jugend, bewundere ich, obwohl sie bestimmt noch an ihrer Vergangenheit zu leiden haben.

Viele von ihnen wurden ja nach der Rückkehr in ihre Heimat von ihren Freunden und Familien gemieden oder teilten ihr Schicksal aus Angst vor den Reaktionen nicht einmal mit. Diese oder ähnliche Vorfälle aus dem Leben vor, bei und nach der Zwangsarbeit in Deutschland haben mich sehr überrascht und bewegt, da ich vor diesem Treffen praktisch gar nichts über die Zwangsarbeiterproblematik wußte.“

Yvonne:

„Meine Begegnung mit den, uns vorgestellten ehemaligen Zwangsarbeitern, war mit neu gewonnen Eindrücken und viel Respekt verbunden. Respekt aus dem Grunde, weil ich es beachtlich und sehr mutig finde, es im Alter von über siebzig Jahren nochmals zu wagen, in das Land zurückzukehren, in dem sie soviel Leid und Schmerz zugefügt bekamen. Unglaublich für mich war auch die Tatsache, daß sie, trotz allem, eine so selbstverständlich loyale Meinung zu und über das Land haben, welches sie so viele Verluste und Kraft gekostet hat.

Mich berührten die Geschichten der beiden sehr, weil sie für mich herauskristallisierten, wie viel schlimmes ihnen körperlich und vor allem seelisch zugefügt wurde und wie sehr sie leiden mussten. Es ist für mich unglaublich zu sehen, wie zwei alte Leute es schaffen konnten, nachdem sie früher unter den schlimmsten Umständen, unter Schmerzen, Trauer und ohne Gewißheit, ob die Familie noch lebt, zu überleben und zu sehen, wie sie heute ein ‚geregeltes‘ Leben führen.

Ich bin sehr stolz, sagen zu können, daß ich diese zwei Menschen kennenlernen durfte, da die späteren Generationen nicht mehr die Möglichkeit haben werden, solche Erfahrungen selbst zu machen. Das es mich noch erreicht hat, berührt und fasziniert mich. Dafür danke ich dem Kontakte e.V. und auch meiner Schule, daß sie mir das ermöglichen konnten.“

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