Direkt zum Navigationsmenü.


Schüler helfen ehemaligen Zwangsarbeitern und anderen NS-Opfern in Kiew, Minsk und Moskau.

Gemeinsames Singen brachte Schüler einander näher.

Tagebuch-Skizzen einer Chor-Reise nach Minsk.

Ein Tagebuch-Bericht von Jan Illig.

30. April 2005.

Ankunft in Minsk mit dem Zug.

Unterbringung im Studentenwohnheim des Colleges für Informationstechnik (unbeheizt, alle müde).

Empfang an der Schule, Begrüßung mit Brot und Salz, kühle Worte der Direktorin, Kennenlernkreis (gerettet durch Jan Illig).

Schülerinnen und Schülerinnen empfangen die deutschen Gäste mit Brot und Salz.

Herzlicher Empfang durch Schüler und Schülerinnen der Schule Nr. 137.

Besuch des Weißrussischen Kunstgewerbemuseums (Schüler formen selbst eine Vase für den Frieden).

Kurzer Rundgang durch Minsk (vor den Kirchen stehen die Leute – das orthodoxe Osterfest wird begangen), geführt durch die Minsker Schülerin Nastja (alle sind schon sehr müde – Jan Illig verordnet, daß das Museum des Großen Vaterländischen Krieges an diesem Tag nicht mehr besucht wird).

Mittagessen im Restaurant „Arbat“ in der Nähe der 137. Schule, zusammen mit allen Minsker Schülern und den neun ehemaligen Zwangsarbeitern aus dem Chor – an jedem Tisch sitzen Weißrussen und Deutsche –, Gespräche kommen langsam in Gang.

Erste gemeinsame Gesangsprobe unter Leitung der Absolventin der Minsker Musikakademie Olga Schalasch (die Deutschen sind sehr müde und machen auf der Bühne sehr lange Gesichter, können den Text nicht).

Es wird festgelegt, welche deutschen Schüler einzeln zu welchen weißrussischen Schülern am nächten Tag nach Hause gehen sollen – obwohl die Lehrerin, Frau Tschenikowa, zuvor alle weißrussischen Eltern und Schüler instruiert hat, haben alle Schüler große Befürchtungen, gerade wegen der Sprachbarriere.

Rückkehr in die Unterkunft.

1. Mai 2005.

„Osterfrühstück“ – es gibt ein kleines Stück Kuchen für jeden, die Schüler sind sehr, sehr hungrig, Jan Illig bestellt noch Butterbrote.

Fahrt zur Schule, wo schon die weißrussischen Schüler auf ihre Gäste warten, die sie dann mit zu sich nach Hause nehmen (hilflose Blicke der deutschen Schüler bei der Verabschiedung) – Jan Illig und Lujdmila Tschenikowa sind sehr aufgeregt und hoffen, daß der „Familientag“ gelingen wird.

Jan Illig spaziert drei Stunden lang mit der deutschen Lehrerin, Marina Korij, durch Minsk und erfährt wichtige Hintergründe über die Waldorfschule und die deutschen Schülern, die zum Teil aus einem sehr angespannten familiären Hintergrund stammen.

Wiedertreffen mit den deutschen und weißrussischen Schülern am Abend vor der Schule, alle sind hellauf begeistert und sehr, sehr satt gefüttert.

Gemeinsame Probe in der Schule bis spät in den Abend, die deutschen Schüler singen enttäuschend und lassen sich gehen.

Jan Illig nimmt, zurückgekehrt in die Unterkunft, die Schüler zusammen und fragt jeden, warum er nach Minsk gefahren ist. Die, so die einstimmige Resonanz, wollen für den Frieden singen und zeigen, daß die Deutschen sich ihrer geschichtlichen Verantwortung bewußt sind. Jan Illig appelliert an die Schüler, dies auch auf der Bühne zu zeigen.

2. Mai 2005.

Reichhaltiges Frühstück in der Kantine des Colleges für Informationstechnik.

Fahrt zum weißrussischen Fonds „Verständigung und Aussöhnung“, Empfang durch den Vorsitzenden Valentin Jakovlevitsch Gerassimov. Die Schüler sind sehr interessiert und freuen sich, als Herr Gerassimov fordert, daß in Zukunft weißrussische Männer deutsche Frauen heiraten sollen.

Jan illig erhält für seine Tätigkeit eine Auszeichnung des Fonds.

Besuch des berühmten weißrussischen Volkskünstlers, des Malers und Grafikers Herrn Zavitzki in dessen Galerie. Herr Savitzki ist stockbetrunken und leugnet den Holocaust sowie die Existenz von Gaskammern in den Konzentrationslagern, er stößt bei den Schülern auf völliges Unverständnis.

Mittagessen im Restaurant.

Chorprobe in der Schule. Nach der Aussprache vom Vorabend können alle deutschen Schüler die Texte und machen beim Singen ein kämpferisches Gesicht. Die Chorleiterin entwirft ihre Choreographie.

Es singen 13 deutsche und 12 weißrussische Schüler sowie neun ehemalige Zwangsarbeiter. Gesungen werden insgesamt zehn Lieder, fünf russische (davon zwei zusammen) und fünf deutsche Lieder (unter anderem „Freude schöner Götterfunken“ zusammen).

Alle singen hervorragend, die deutschen Schüler zum Teil mehrstimmig und mit kurzen Soli, die ehemaligen Zwangsarbeiter, die eigentlich die Lieder lieber „brüllen“ möchten, fügen sich hervorragend in den gemeinsamen Chor ein.

Das Unwahrscheinliche ist gelungen, der Chor ist zusammengeführt und kann auftreten. Es ist ein herausragendes Gefühl zu sehen, wie Weißrussen und Deutsche, Schüler und NS-Opfer gemeinsam singen.

Abendessen.

Besuch bei Schwester „Marina“ aus der katholischen Kirche der Heiligen Simon und Aljona, Bekanntschaft mit dem Kirchenchor. Während des Gottesdienstes wird für die Schüler gebetet, die deutschen Schüler singen spontan das Lied „Kleine weiße Friedenstaube“.

Rückkehr in die Unterkunft, einige deutsche Schüler werden von weißrussischen Schülern nach Hause eingeladen, die restlichen Schülern sitzen zusammen auf ihren Zimmern und feiern bis 24 Uhr.

3. Mai 2005.

Frühstück

Fahrt in die Schule, Generalprobe, Jan Illig spricht dem Chor seine Anerkennung aus, sagt: „Der Chor geht ab wie eine Rakete“, alle freuen sich.

Jan Illig geht zur Direktorin der Schule und muß erfahren, daß sie für den Nachmittag, an dem das Pflanzen der Friedenbäume vorgesehen ist, keine Mikrophone und Tische für die Presse wünscht, daß das Projekt der Schule nichts bringen würde und daß, wenn überhaupt am Nachmittag Pressevertreter kommen würden, diese für sie eine zusätzliche Belastung wären.

Jan Illig stellt daraufhin die Verbindung zur Minsker Schulverwaltung her und informiert sie über die „Friedensbaumaktion“ am Nachmittag.

Mittagessen.

Spaziergang zur Kirche der Mildtätigkeit, zum Kirchenvorsteher Vater „Fjodor“, es warten bereits die Direktorin der Schule und einige Pressevertreter.

Die Direktorin erkennt die stellvertretende Bildungsstadträtin von Minsk nicht und sagt ihr, daß hier, an diesem Nachmittag, nichts besonderes passieren würde. Sie fordert die Schüler auf, die 14 Friedensbäume „einzugraben“.

Jan Illig stoppt die Aktion und baut den Chor auf, das Programm kann wie geplant ablaufen. Vater Fjodor spricht zu den Schülern, die Schüler läuten die Friedensglocke, das Erste Weißrussische Fernsehen beginnt mit den Filmaufnahmen, Journalisten nehmen Interviews. Jan Illig hält eine Ansprache, der Chor singt.

Schülerinnen und ehemalige NS-Zwangsarbeitrerin pflanzen einen Friedensbaum.

Gemeinsame Pflanzaktion von Schülerinnen und ehemaligen Zwangsarbeiterinnen.

Die Direktorin lehnt es ab, ein paar Worte zu sagen. Es fängt an zu nieseln. Die Direktorin will die Veranstaltung abbrechen, als ihr dies nicht gelingt, schickt sie die weißrussischen Schüler nach Hause.

Die deutschen Schüler singen das Lied „Kleine weiße Friedenstaube“ und lassen zwei lebende Friedenstauben in den Himmel steigen.

Vater Fjodor läd Schüler und ehemalige Zwangsarbeiter zu einem Osterkaffeetrinken in die Kirche ein, anwesend sind neben den Akteuren aus dem Chor die „unerkannten“ Vertreter des Minsker Bildungsministeriums, Kirchenleute und Jugendliche aus der Minsker Vereinigung „Sozialer Jugenddienst“.

Abendessen in der echten Minsker Kneipe „U Janki“.

Theaterbesuch der deutschen und weißrussischen Schüler mit den ehemaligen Zwangsarbeitern – Pantomimentheater. Alle sind begeistert.

Die Schüler setzen die Begegnung am Abend im Hotel fort.

4. Mai 2005.

Frühstück, die Schüler gratulieren Jan Illig zum Geburtstag.

Treffen im Minsker Optikwerk „Vavilov“, der stellvertretende Generaldirektor führt durch das Werk, erster gemeinsamer Auftritt vor ca. 200 Belegschaftsmitgliedern, der Auftritt für 3700 weitere Betriebangehörige per Werkfunk übertragen. Großer Applaus, die Chormitglieder erhalten von der Betriebsführung Geschenke.

Je ein oder zwei deutsche Schüler fahren zu einem ehemaligen Zwangsarbeiter nach Hause. Auch diese Treffen werden bei allen zum Erfolg, auch unter den Bedingungen mangelnder Sprachkenntnisse. Fortan haben die deutschen Schüler einen sehr engen und herzlichen Kontakt zu den alten Leuten.

Am späten Nachmittag Treffen im Werk für nichtalkoholische Getränke, Betriebsführung, Auftritt direkt in der Getränkeabfüllhalle vor ca. 50 Arbeiterinnen und Arbeitern, im Hintergrund brummen die Fließbänder, unsere Pianistin kann dieses Geräusch auf dem Keybord übertönen.

Auch dieser Auftritt war ein großer Erfolg. Die Arbeiter wollen sich mit den deutschen Jungen fotografieren lassen und versinken in enger Umarmung. Alle Chormitglieder erhalten als Dankeschön das ganze Auswahlsortiment, das in dem Werk produziert wurde, die Vorräte halten bei den Deutschen bis Berlin.

Abendessen in einer Pizzeria.

Besuch des Minsker Punkclubs „Reaktor“ durch alle deutschen und weißrussischen Schüler, die Lehrerin wird am Eingang auf Narkotika und Spritzen untersucht, das ist für die Jugendlichen ein großer Spaß.

Einmal formiert der Berliner Schüler Benjamin auf der Tanzfläche einen Kreis, deutsche und weißrussische Chorjugendliche tanzen zusammen mit Minsker Punkern zusammen nach russischer Rock- und Tanzmusik.

Der Abend ist ein großer Erfolg. Er wird auf dem Vorplatz unserer Unterkunft fortgeführt, wohin die weißrussischen Schüler ihre Freunde begleitet haben und wo die Gruppe bereits von vier deutschen Mädchen empfangen wurde, die nicht in den Club gehen durften, weil sie am Abend zuvor bei Rot über die Hauptstraße von Minsk gerannt waren. Anwesend sind ebenfalls zahlreiche weißrussische Informationstechnikstudenten. Jan Illig hat Mühe, die aufgeregten Jugendlichen gegen 24 Uhr ins Bett zu bringen.

5. Mai 2005.

Frühstück.

Auftritt und Betriebsbesichtigung im Minsker Uhrenwerk, als Besucher anwesend waren ca. 40 Mitarbeiterinnen. Ein deutsches Mädchen erleidet einen asthmatischen Anfall, nach Konsultation beim Betriebsarzt geht sie mit der ehemaligen Zwangsarbeiterin Anna Gurjevitsch nach Hause, wo sie sich bis zum späten Abend aufhält und gepflegt wird.

Einkaufsbummel durch Minsk und auf dem Komarovski-Markt. Das Wetter schlägt um, es wird kalt und es beginnt zu regnen.

Auftritt im zentralen Minsker Militärhospital vor ca. 200 Militärangehörigen – großer Erfolg. Viel Geld wird von den anwesenden Soldaten und Offizieren für ehemalige Zwangsarbeiter/innen in Minsk gespendet. Verabschiedung von den ehemaligen Zwangsarbeiter/innen.

Abendessen im Jugendpalast, ein Teil der Schüler isst zu Hause bei ihren weißrussischen Freunden zu Abend.

In der Unterkunft treffen sich viele deutsche und weißrussische Jugendliche wieder.

6. Mai 2005.

Frühstück.

Abfahrt der deutschen und weißrussischen Schülerinnen und Schüler mit dem Bus in das Pionierlager „Zubrjonok“, das sich am größten See Weißrusslands, dem „Narotsch“, befindet.

Programmänderung wegen anhaltenden Regens, ein Lagerfeuer kann nicht stattfinden, vorzeitige Abreise um 17 Uhr, da die Schüler müde sind

Wegen der Programmänderung erstes Zerwürfnis zwischen deutschen und weißrussischen Begleitern, Jan Illig lehnt es ab, am deutschen Soldatenfriedhof Blumen niederzulegen. Die Schüler bekommen von den Spannungen unter den Betreuern nichts mit, da sie im Bus mit Heiner Dörfler die ganze Zeit singen.

Nach der Ankunft in der Unterkunft verabschieden sich die weißrussischen Schüler von den Deutschen. Die weißrussischen Begleiter haben sich zurückgezogen.

Spontan kommen die Schüler auf die Idee, auf die Hauptstraße von Minsk zu ziehen und ihre Friedenslieder zu singen. Als Jan Illig dies mitbekommt, holt er schnell zwei Fackeln.

Schülerinnen mit Fackel.

Berliner und Minsker Schülerinnen und Schüler ziehen mit Fackeln und Friedenslieder singend über die Hauptstraße von Minsk.

Der abendliche spontane Fackelumzug der Schüler am Vorabend des 9. Mai erregt großes Aufsehen, die Passanten fotografieren, die Minsker Polizei bleibt „mit offenen Mündern“ stehen.

Die deutschen Schüler begleiten ihre weißrussischen Freunde bis zur Metrostation „Akademija Nauk“, es fließen unorganisierte Tränen des Abschieds.

7. Mai 2005.

Frühstück, Räumung des Hotels.

Feierliche Leerung der Spendenbox (85 000 Rubel) zusamen mit einigen weißrussischen Schülern. Das Geld soll an den weißrussischen Fond „Verständigung und Aussöhnung“ übergeben werden.

Abfahrt der Deutschen mit einem kleinen Reisebus nach Brest (350 km), strömender Regen. Jan Illig sagt den ursprünglich geplanten Besuch des Nationalparks „Weißrussischer Urwald“ ab (was weitere 100 km Busfahrt einspart) und beschließt, dafür mehr Zeit in Brest zu verbringen. Die weißrussische Lehrerin verläßt enttäuscht den Bus.

Ankunft am Nachmittag in Brest, Gepäck in die Gepäckaufbewahrung, Stadtrundgang, Abendessen in einem Brester Café, Besuch der Brester Festung.

Rückkehr zum Bahnhof, die Schüler kaufen der Minsker Lehrerin, die um 23 Uhr wieder zum Bahnhof kommt, Konfekt, um sie zu trösten.

Lange Zollkontrolle. Abfahrt aus Brest um 23.55 Uhr.

8. Mai 2005.

Ankunft am Bahnhof Lichtenberg in Berlin. Die Schüler ziehen spontan ihre T-Shirts an, die sie zu den Chorauftritten getragen hatten und singen ihre Friedenslieder.

Zum Seitenanfang